EM Rom | Yemisi Ogunleye schreibt römische Geschichte

  08.06.2024    WLV Top-News WLV Wettkampf BLV Top-News BLV BLV-Wettkampf BW-Leichtathletik Top-News BW-Leichtathletik Wettkampfsport
Die Mannheimer Kugelstoßerin holt bei der EM in Rom die erste deutsche Medaille. Alina Kenzel wird Vierte, Julia Ritter Siebte

Yenmisi Ogunleye (MTG Mannheim) saß in der Mixed-Zone des Olympiastadions auf dem Boden („Bin sehr müde“) und hielt die Bronzemedaille stolz in der Hand. „Ich bin sehr glücklich über diese Medaille“, strahlte sie nach einem nervenaufreibenden Finale. Sie war mit eher schwachen 17,87 Meter ins Finale gestartet. Weit weg von ihrer Saisonbestleistung (20,19 Meter). Mit 19,40 Meter war sie als europäische Jahresbeste angereist, tat sich in Rom aber schwer im Kampf um die Medaillen. „Wir sind keine Roboter, und es gehört zum Wettkampf, dass es nicht so läuft“, schaute sie zurück, und war dennoch zufrieden mit ihren 18,62 Metern, fünf Zentimeter entfernt von Silber und nur 15 Zentimeter von Gold. 

Nach Silber bei der Hallen-WM in Glasgow (Großbritannien) hat sie nun auch ihre erste EM-Medaille gewonnen. „Ich habe gezeigt, dass ich in der Weltelite mitstoßen kann“, war sie dennoch zufrieden, nachdem sie sich in den Armen ihrer Trainerin Iris Manke-Reimers („Ich bin stolz auf dich“) wiedergefunden hatte. Alina Kenzel (VfB Stuttgart) blieb mit 18,55 nur 14 Zentimeter unter ihrer Bestleistung und haderte als Vierte mit einer vergebenen Medaillenchance. Julia Ritter (TV Wattenscheid) war als Siebte mit 18,18 Meter etwas enttäuscht („Da war mehr drin“).

„Bei der Siegehrung gab es ein Durcheinander, denn sie hatten mich auf der falschen Stelle platziert“, erzählte Yemisi Ogunleye von der Medal-Plaza vor dem Olympiastadion. Gold und Silber gab es dort für Titelverteidigerin Jessica Schilder (18,77 Meter) und Jorinde van Klinken (18,67 Meter), beide aus den Niederlanden. In München allerdings stieß Schilder fast eineinhalb Meter weiter. Zehn Jahre hatte Christina Schwanitz das deutsche Kugelstoßen bestimmt, war zweimal Europameisterin  (1914 in Zürich, 2016 in Amsterdam) und Weltmeisterin (Peking 2015). Insgesamt elf internationale Medaillen hat Schwanitz vorgelegt. Vielleicht ist die Mannheimerin am Anfang dieser Reise. 

Mit Wettkämpfen in China, Marokko und zuletzt in Halle/Saale hatte sie sich auf den ersten Saisonhöhepunkt, der EM in Rom vorbereitet. „Es lief bei diesen Wettkämpfen sehr gut“, beschrieb die 24-jährige MTG- Athletin ihre Vorfreude auf Rom. Bei den Werfertagen in Halle hat sie eine neue Stärke gezeigt. Sie stieß nämlich im letzten Versuch 19,33 Meter („Sonst sitzt meist der erste Stoß“). Vor ihren Stößen zeigt sich die Deutsche Hallen-Meisterin inzwischen sehr selbstbewusst. Obwohl sie in Rom schwer in den Wettkampf kam, forderte sie immer wieder das deutsche Publikum zur Unterstützung auf. Bevor sie in den Ring geht, nimmt sie inneren Kontakt „nach oben“ auf. Yemisi Ogunleye ist gläubige Christin und als solche in der Kirchengemenide in Bellheim integriert, in der Jugendarbeit und auch im Gospelchor. Dort tritt sie auch als Solistin auf. „Wie weit meine Kugel fliegt, weiß nur der, der auch die Kugel so weit zum Fliegen bringt, der liebe Gott“, sagt sie.

Mit 13 war die ehemalige Turnerin zum Siebenkampf gewechselt. Hatte dann aber eine ungewisse Zeit mit Bänder- und Knorpelverletzungen und Operationen im Knie. Erst die Umstellung von der Angleit- auf die Drehstoßtechnik brachte Ogunleyes Aufschwung. Iris Manke-Reimers, die 1984 als Siebenkämpferin nur knapp die Olympiateilnahme verpasst hatte, begleitet sie auf diesem Weg seit zehn Jahren. Einmal die Woche fahren sie ins Training nach Stuttgart zum Drehstoßexperten Arthur Hoppe und zum gemeinsamen Training mit dem Deutschen Meister Silas Ristl. 

Mit der enormen sportlichen Entwicklung von Yemisi Ogunleye ist auch eine beachtliche Persönlichkeitsentwicklung einher gegangen. Mit Mobbingerfahrungen aufgrund ihrer Hautfarbe war sie eher schüchtern und teilt diese Erfahrungen auch mit Weitspringerin Malaika Mihambo. „Mein Leben hängt aber nicht von meinen sportlichen Leistungen ab“, betont sie, „Erfolge kommen und gehen, Jesus bleibt.“ Das nächste große Ziel sind die Olympischen Spiele in Paris. Mit Jase Jackson kommt dort die Weltmeisterin dazu. Die Medaillen hängen für Ogunleye noch höher. Mit iherer Bestleistung ist auch dort Edelmetall möglich. 

Ewald Walker / wlv