EM Rom | Der verhinderte 100 Meter Finalist

  10.06.2024    WLV Top-News WLV Wettkampf BLV Top-News BLV BLV-Wettkampf BW-Leichtathletik Top-News BW-Leichtathletik Wettkampfsport
Es ist dies die Geschichte eines Pechvogels. Man stelle sich vor: man fährt als Sprinter zum persönlichen Höhepunkt zu einer Europameisterschaft, qualifiziert sich überraschend für das Finale der acht Besten und muss dann eine halbe Stunde vor dem Start passen.

Genau dies ist Robin Ganter, 23-jähriger Sprinter von der MTG Mannheim am Samstagabend im Olympiastadion in Rom passiert. „Jetzt gehe ich mit einem lachenden und einem weinenden Auge hier heraus“, kommentierte er um Mitternacht seine eigenartige Geschichte.
Im Vorlauf war noch alles o.k für den zweifachen deutschen 200 Meter-Meister. Das Unglück nahm im Semifinale seinen Lauf. Ein Fehlstart, der zu spät zurückgepfiffen wurde, mehrere Läufer rannten durch, Ganter brach in der Mitte ab. Sein Ziwschenlauf wurde nach hinten geschoben, Pause, Herumstehen. „Da hatte sich in der Muskulatur schon eine hohe Spannung aufgebaut“, sagt der 23-Jährige. 15 Minuten später: zweiter Startversuch, Ganter rennt in 10,21 Sekunden als Vierter ins EM-Finale, Wow! Ganters Trainer-Vater auf der Tribüne freut sich mit. Doch schon im Zielauslauf spürte er ein Ziehen im Oberschenkel-Beuger. Behandlung beim Physio. „Kann ich laufen im Endlauf oder nicht?“, die Unsicherheit wurde größer. Beratung mit dem Bundestrainer David Corell: Absage der Finalteilnahme. Die 4x100 Meter-Staffel am Dienstag braucht einen fitten Mannheimer. Und dann ist da ja noch das ganz große Ziel: Paris im August, auch da möchte er auf der Bahn für den DLV laufen. „Olympische Spiele, das ist doch so etwas wie ein Karriereziel“, hat Ganter im Kopf. „Die Atmosphäre in einem so großen Stadion wie dem Olympiastadion in Rom oder dem Stade de France in Paris, das ist doch mega schön“, träumt er weiter. An den Zuschauermassen vorbei ins Stadion zu kommen hatte ihn schon „mega“ beeindruckt.

Robin Ganter konnte seine Rahmenbedingungen für den Leistungssport im März verbessern. Der Mechatroniker hatte in Weinheim ein Autohaus gefunden, in dem er seine Arbeitszeit von 39 auf 27 Stunden reduzieren konnte und wo er auch Spielraum für Trainingslagermaßnahmen erhält. Zuletzt war er in Houston bei seinem Coach Marlon Odom, den er noch aus der Stuttgarter Zeit kannte. Dort wurde er mitbetreut von 100 Meter-Olympiasieger Justin Gatlin. Wenn er nicht auf der Bahn oder im Kraftraum im Training ist, steht er in der Werkstatt beim Service an den PKWs. Nach Mitternacht kommt beim Pechvogel von Rom doch noch etwas Optimismus durch. „Ich hoffe, wir schaffen es, die Muskulatur wieder in Ordnung zu bringen. Damit könnte das Pech des Robin Ganter doch noch ein gutes Ende nehmen. Die Chancen für die deutsche 4x100 Meter-Staffel mit einem gesunden Robin Ganter aufs Treppchen zu kommen, stehen nicht schlecht. Zwei deutsche Sprinter in einem EM-Finale gabs nämlich lange nicht.

Ewald Walker / wlv