Best-Practice Beispiel: Diana Giesen
Inklusion heißt für sie „alle zusammen“.
Diana Giesen ist Trainerin des TuS Neureut und trainiert die Leichtathletik Wettkampfgruppe ab der U18. Diese Trainingsgruppe hat im Januar 2023 mit einer neuen Athletin Zuwachs bekommen. Wie auf jede Anfrage „Kann ich mal mitmachen?“ folgte auch auf diese die Antwort: „Komm gerne zum Probetraining vorbei!“
„Ich lege Wert darauf, dass es menschlich passt.“
Im Probetraining wird schnell klar: die Athletin passt, sowohl von der Person als auch von den Zielen und der Motivation perfekt und der erste Überblick über die sportlichen Möglichkeiten ist gemacht. Von vorneweg kommunizierte die Athletin, dass es eine Herausforderung geben könnte. Training und Wettkämpfe könnten für sie etwas anders aussehen, da sie durch eine Spastische Hemiparese (Cerebralparese) als Paraathletin gilt. Das bedeutet für sie: Probleme mit der Motorik auf der linken Körperseite wegen einer unvollständigen Lähmung und erhöhtem Muskeltonus. Klassifiziert wurde sie daher auf die Startklasse T 37. Eine Klassifizierung ist die Voraussetzung für die Teilnahme an Wettkämpfen im Parasport. Deshalb startete die Athletin direkt bei Deutschen Meisterschaften, da es sonst nicht viele Wettkämpfe gibt, die eine Klassifizierung anbieten.
Diana erzählt uns im Interview, welche Herausforderungen es gab und wie sie diese mit der Athletin zusammen bewältigt hat.
Was war/ist die größte Herausforderung im inklusiven Training?
„Herausfordernd war gar nicht das Training an sich, sondern die organisatorischen Rahmenbedingungen zu schaffen. Bisher hatte ich immer den Badischen Leichtathletik-Verband als zuständigen Dachverband, jetzt ist es auch der Badische Behinderten- und Rehabilitationssportverband. Insofern mussten wir erstmal schauen, wie das mit dem Startrecht und der Klassifizierung funktioniert. Das waren alles Dinge, die wir erstmal regeln mussten, wobei die Athletin das auch federführend in die Hand genommen und sich durchgefragt hat. Da waren einige Telefonate und E-Mails von Nöten, um dementsprechend die richtigen Schritte zu gehen.“
Wie sieht das inklusive Training aus?
„Ich plane ein gemeinsames Programm für die Trainingsgruppe. Bei gewissen Übungen muss ich bei der Paraathletin genauer hinschauen bzw. mir vorher noch mehr Gedanken machen, was möglich ist und was nicht. Aber letztendlich geht viel über Ausprobieren. Es ist ja nicht so, dass man sich als Trainer darauf vorbereitet‚ dass vielleicht irgendwann ein:e Paraathlet:in in die Gruppe kommen könnte. Man beschäftigt sich erst damit, wenn’s dann so weit ist.
Viel Wert lege ich auf den Austausch und bin auf die Rückmeldung der Athletin angewiesen. Bei anderen Athlet:innen brauche ich genauso Feedback, bei ihr natürlich umso mehr, insbesondere was die Belastbarkeit angeht. Dabei hilft meine jahrelange Erfahrung als Trainerin. In ihrem Fall muss ich sie eher mal bremsen.“
Wie haben die anderen Athlet:innen auf die Paraathletin reagiert?
„Ich hatte im Vorfeld mit ihr abgeklärt, ob ich einfach sagen darf: ‚hier ist eine neue Athletin, die ein Handicap hat‘. Ich mag es nicht, wenn getuschelt wird, ich gehe lieber einfach von Vornherein offen damit um. Ich hatte das Gefühl, dass das somit von Anfang an kein Thema war.“
Hättest du dir mehr Unterstützung bezüglich Paraleichtathletik gewünscht und wenn ja, zu welchem Thema?
„Eher vielleicht im organisatorischen Bereich. Im Trainingsalltag, gerade weil es auch so viele verschiedene Behinderungen gibt, muss man sich die Athlet:innen individuell anschauen. Was die Wettkampfplanung angeht, ist es teilweise immer noch schwierig. Auf der einen Seite sprechen wir von Inklusion und wir trainieren jetzt seit einiger Zeit ganz selbstverständlich zusammen in einer Trainingsgruppe. Aber was ist mit inklusiven Wettkämpfen? Ich würde sie einfach gerne mit den anderen Athlet:innen auf die Wettkämpfe mitnehmen.“
Konntest du etwas von der Paraathletin lernen?
„Ich bin begeistert von ihrem Ehrgeiz und ihrer Motivation, da könnten sich einige eine Scheibe abschneiden. Ich finde es einfach wahnsinnig spannend und toll, dass sie dranbleibt und ihre Träume verwirklicht.“
Siehst du einen positiven Effekt auf die Persönlichkeitsentwicklung von nicht Paraathlet:innen?
„Ich glaube schon, dass es am Anfang ein Aha-Erlebnis für die gesamte Trainingsgruppe war. Bisher gab es keine Berührungspunkte zur Paraleichtathletik. Als ich im Training erzählt habe, dass die Athletin bei den Deutschen Meisterschaften startet, waren alle begeistert. Nach dem tollen Ergebnis haben sich natürlich alle mitgefreut!“
Gibt es etwas, das du anderen Trainer:innen empfehlen würdest, die eine Anfrage eines:r Paraathlet:in bekommen? Was würdest du ihnen mitgeben?
„Wichtig ist vor allem, Offenheit zu zeigen. Ich glaube der Hauptpunkt ist die beidseitige Angst - seitens der Athlet:innen abgewiesen zu werden bzw. seitens der Trainer:innen der Aufgabe nicht gerecht zu werden. Daher plädiere ich dafür, ein Gespräch zu führen, wenn möglich zum Probetraining einzuladen und zu schauen, was möglich ist.“
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